Mein erstes Mal auf einem mehrtägigen Festival. Mein erstes Mal unter so vielen Campern.
Im Februar schickte mir ein Freund ein Bild von der Werbung für das Festival Vanlife Ferropolis. Ohne lange zu überlegen, kaufte ich mir ein Ticket dafür. Ich befand mich in einer Phase, in der ich gerne neue Leute kennenlernen wollte und obwohl ich inzwischen schon über 2 Jahre im Van lebe, beschränkt sich meine Community auf ein paar wenige Persönchen. Würde ich mich mit jedem treffen, der mich bei Instagram darum gebeten hat, wäre sie definitiv schon deutlich größer. Aber darum geht’s mir im Grunde gar nicht. Ich brauche nicht viele Freunde, geschweige denn eine riesige Community. Das entspricht nicht meinem Naturell.
Zu dem Zeitpunkt, als ich mir das Ticket im Februar gekauft habe, war ich noch sehr optimistisch, dass ich jemanden finden würde, der mich Ende Juli auf das Festival begleitet, im besten Fall eine Freundin mit Van. Nur ungerne wollte ich alleine so weit weg auf ein mehrtägiges Festival fahren, wo viele Menschen sind, von denen ich niemanden kenne. Aber Fehlanzeige. Niemand wollte mich begleiten. Nun gut, ich habe schon so Vieles alleine geschafft, da packe ich das schon.
Beinahe hätte ich kurz vorher die Tickets doch noch verkauft und ich bin so froh, dass ich es nicht getan habe. Denn dann hätte ich Tina, Jule, Flo und die anderen lieben Menschen womöglich nie kennengelernt.
Freitagnacht gegen 1 Uhr erreichten Figo und ich die Halbinsel in der Nähe von Leipzig und nächtigten, zusammen mit ein paar weiteren Spätankömmlingen, auf einem Schotterparkplatz vor dem Festivalgelände. Um 10 Uhr wurden dann die Pforten geöffnet.
Ich hatte großes Glück, neben einem wundervollen Pärchen stehen zu dürfen, mit dem ich mich auf Anhieb super verstand. Freitagnachmittag saß ich irgendwann alleine vor Louie und habe mich plötzlich sehr einsam gefühlt. Es waren doch mehr Pärchen unter den Festivalgästen, als ich angenommen hatte und ich fühlte mich zu unsicher, um jemanden anzusprechen. Tina tickt da zu meinem Glück etwas anders. Sie sprach mich nämlich kurzerhand an, als sie mich da so alleine hat sitzen sehen. Es stellte sich heraus, dass sie ebenfalls alleine dort war.
Auch lernte ich am ersten Tag Lisa, Rico und Michi kennen. Sie sprachen mich an, weil sie mir schon seit ein paar Jahren bei Instagram folgen. Den Abend saßen Tina und ich dann bei ihnen in einer netten Runde zusammen.
Auch die nächsten Tage verbrachten Tina und ich kaum eine Minute getrennt voneinander. Ihre Gesellschaft tat mir unglaublich gut. Am Samstag bauten Jule, Flo, Tina und ich schließlich eine kleine Wagenburg. Ich fühlte mich zwischen ihnen sehr wohl, so akzeptiert und gemocht.
Das Festival verlief gefühlt recht ruhig und gesittet. Hin und wieder nahmen wir am Rahmenprogramm teil, hörten uns Vorträge an und machten beim Bieryoga mit. Das Highlight für mich war unsere gemeinsame Tour über den See. Figo und ich auf dem SUP, Tina hatte sich eines ausgeliehen und Jule und Flo in ihrem aufblasbaren Kajak. Gut 1 1/2 Stunden paddelten wir herum und genossen die Landschaft, die Ruhe und die Gesellschaft.
Und plötzlich sprang Figo mitten auf dem tiefen Gewässer einfach vom SUP. Offenbar vermutete er das Ufer in erheblich geringerer Entfernung, als es tatsächlich war. Mit einem Platsch war er drinnen und strampelte los gen Festivalgelände, welches wirklich noch weit weg war. Ich erschrak und folgte ihm, ohne zu überlegen, ins tiefe und dunkle Nass.




Wer mich kennt weiß, wie viel Angst ich vor tiefen, dunklen Gewässern habe, aber in diesem Moment habe ich nicht eine Sekunde gezögert. Mein Baby musste gerettet werden. Ich schwamm ihm hinterher und griff nach seinem Geschirr. Ein Blick nach hinten verriet mir, dass mein SUP von uns weggetrieben worden war, denn die Strömung war nicht ohne und ich hatte zu unserem Pech die Leash (Befestigung des Boards am Bein) vergessen. Gott sei Dank reagierten Jule und Flo sehr schnell und sammelten es wieder ein, während Figo und ich auf der Stelle strampelten. Was vermutlich nur Sekunden dauerte, fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Sie brachten uns das SUP und ich hievte Figo hinauf. Ich gönnte mir einen kurzen Moment des Verschnaufens und als ich Figo auf das SUP folgen wollte, blieb ich an irgendwas an meinem Bauch hängen. Die GoPro! Hatte ich die ganze Aktion doch tatsächlich zufällig aufgezeichnet.
Figo schüttelte sich nur und war wieder putzmunter, während mich Erleichterung überkam und ich die Sache mit Humor nahm. Tina saß der Schreck stattdessen noch im Nacken. So paddelten wir schnurstracks ans Ufer, wo ich mir, am Van angekommen, direkt das Video ansah. Amüsant und gruselig zugleich. Auf dem Video nahm ich die Tiefe und Weite unter der Wasseroberfläche zum ersten Mal wahr und realisierte, dass ich daran in der Situation keinen einzigen Moment gedacht hatte. Erst im Nachhinein ließ es mich erschaudern. In dem Moment war mein einziger Gedanke, dass ich Figo retten musste.
Was ich daraus gelernt habe? Niemals wieder die Leash vom SUP vergessen! Und bei längeren Strecken bekommt Figo seine Schwimmweste an! Wären wir allein gewesen, hätte ich das SUP nicht mehr erreicht und Figo und ich hätten eine weite Strecke entgegen der Strömung ans Ufer schwimmen müssen. Wären wir allein gewesen, wären wir allerdings auch höchst wahrscheinlich nicht in solch eine Situation geraten, denn meine Angst vor tiefen Gewässern hält mich stets davon ab, mich mit dem SUP weit vom Ufer zu entfernen. Nur in Gesellschaft fühle ich mich sicherer.
Nach dieser Aktion hatte ich dann auch genug Sonne abbekommen und der restliche Tag verlief recht ruhig. Wir hörten uns noch ein wenig die Livemusik an und ursprünglich wollten wir uns die DJ-Session danach anschauen, landeten stattdessen aber völlig erschöpft im Bett.
Tag 3 war angebrochen, der letzte Tag für uns auf dem Festival. Mein Muskelkater nahm mir die Entscheidung ab, ob ich noch einmal mit dem SUP aufs Wasser möchte. Wir bauten sehr (zeit-)aufwändig Tinas Sonnensegel auf und gönnten uns zunächst ein ausgiebiges Frühstück. Der angekündigte Vortrag über Norwegen weckte unser Interesse und so begaben wir uns nach dem Frühstück zur Main-Stage. Figo und ich suchten im Schatten eines Sprinters Schutz vor der Sonne, wo ich noch Katharina und Mario kennenlernte.
Allmählich wurde es Zeit für die Rückfahrt. Über 500 km und mehr als 6 Stunden Fahrt der prallen Sonne entgegen lagen vor uns. Am liebsten wäre ich weitergefahren, egal wohin, Hauptsache nicht zurück. Das Wochenende fühlte sich wie ein Kurzurlaub an und machte Lust auf mehr.
Ich hoffe sehr, all die lieben Menschen, die ich an diesem Wochenende kennenlernen durfte, wiederzusehen. Irgendwann, irgendwo.
Für mich persönlich war das Wochenende sehr wertvoll. Mir fehlt seit Monaten ein Gefühl der Verbundenheit, ein elementares Grundbedürfnis. Die paar Tage haben den Tank wieder ein wenig gefüllt und mich etwas aus meinem Schneckenhaus gelockt, in dem ich mich seit einigen Monaten schon verstecke.



